Wechsel in die Wirtschaft: Ist das sinnvoll für Postdocs?
Generell ist es besonders in natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern verbreitet, als Postdoc in der freien Wirtschaft zu arbeiten – in den Geistes- und Sozialwissenschaften ist es üblicher, als Postdoc an der Hochschule zu bleiben. In der Industrie finden sich also beispielsweise viele Postdocs aus der Biologie, Postdocs aus der Chemie oder der Physik sowie Postdocs aus den Ingenieurwissenschaften wieder.
Die Unternehmen suchen explizit nach dieser fachlichen Expertise, man muss als Postdoc also keine Kenntnisse in Wirtschaftswissenschaften mitbringen, um einen erfolgreichen Wechsel in die Wirtschaft zu schaffen. Nichtsdestotrotz sind Postdocs, die neben ihren Fachkenntnisse weitere Qualifikationen – beispielsweise in Informationstechnik, BWL oder Sprachen wie Chinesisch – mitbringen, vor allem für verantwortungsvolle Schnittstellenfunktionen auf der Führungsebene besonders gefragt.
Für wen lohnt sich der Ausflug in die Industrie?
Besonders in zwei Fällen ist ein vorübergehender Wechsel in die Wirtschaft in der Regel sehr lohnenswert – auch wenn anschließend die akademische Karriere weitergehen soll:
Die Ingenieurwissenschaften sind per se sehr anwendungsbezogen. So werden Professuren in diesem Fachbereich gern mit Personen besetzt, die in den F&E-Abteilungen der Industrie gearbeitet haben. Wer nach einem Ausflug in die Wirtschaft weiter die akademische Laufbahn verfolgen möchte, sollte allerdings darauf achten, den Kontakt zur Hochschulwelt und sein wissenschaftliches Netzwerk intensiv zu pflegen – über gemeinsame Forschungsprojekte, Lehraufträge oder die Betreuung von Abschlussarbeiten. Am wichtigsten sind jedoch die Forschungsleistungen inklusive Publikationen und Patenten.
Auch für Postdocs mit dem Berufsziel Fachhochschulprofessur ist es vorteilhaft, die Phase nach der Promotion in der freien Wirtschaft zu verbringen: Hier ist es für eine Berufung in der Regel verpflichtend, einige Jahre in der beruflichen Praxis gearbeitet zu haben (die genauen Regelungen der Bundesländer finden sich in den Landeshochschulgesetzen). Wer parallel Lehraufträge ergattert, macht sich schon während der Zeit im Unternehmen für die umfangreiche Lehrtätigkeit als HAW-Professor:in fit.
Für welche Postdocs ist der Wechsel in die Wirtschaft nicht sinnvoll?
Nicht immer bringt ein vorübergehender Wechsel aber Schwung in die wissenschaftliche Karriere. Besonders in nicht-naturwissenschaftlichen Fachbereichen kann ein Wechsel in die Industrie sogar auch nachteilig sein. Der Aufbau eines wissenschaftlichen Netzwerkes in der Hochschullandschaft ist neben einem Vollzeitjob in einem Unternehmen kaum zu leisten – zeitlich, aber auch, weil Besuche von Hochschul- und länderübergreifenden Fachveranstaltungen fehlen.
Ein weiteres Problem ist, dass die eigenen Forschungsergebnisse in der Regel nicht in den einschlägigen Fachmagazinen publiziert werden, was für eine spätere Habilitation unabdingbar ist. Wenn sie überhaupt veröffentlicht werden: Unternehmen forschen schließlich gemeinhin nicht um der Erkenntnis willen, sondern in erster Linie, um mit den Forschungsergebnissen marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln – eine Veröffentlichung der Erkenntnisse und Methoden ist hier kontraproduktiv und somit nicht erwünscht.
Für wen also die akademische Karriere mit Habilitation und Hochschulprofessur das oberste Ziel ist, der sollte sich den kurzen Seitensprung in die freie Wirtschaft gut überlegen. Weil die Arbeitgeber gut qualifiziertes Personal behalten wollen und finanzielle Anreize winken, wird der als vorübergehende Episode geplante Ausflug oft zu einem kompletten Ausstieg aus dem universitären Forschungssystem. Wer es dennoch wagen will, sollte möglichst engen Kontakt zur Hochschule halten – und beim Arbeitgeber für Unterstützung werben, um für Lehraufträge und wissenschaftliche Tagungen und Kongresse freigestellt zu werden.
Gehaltsaussichten für Postdocs in der Industrie
Neben den karrieretechnischen Vorteilen für einige Bereiche ist es für viele Postdocs auch finanziell reizvoll, die Phase in der freien Wirtschaft statt an der Hochschule zu absolvieren. In letzteren fällt das Einkommen meist wesentlich geringer aus als bei Unternehmen. Häufig ist das Gehalt in der Wirtschaft verhandelbar und hängt von den Qualifikationen und bisherigen Erfahrungen ab – Postdocs haben in ihrem Fachgebiet hier einiges zu bieten. Den regulären Verdienst können Unternehmen durch weitere Vergütungskomponenten und betriebliche Leistungen aufstocken.
Die Höhe des Gehalts für Postdocs in der Industrie hängt nicht nur von ihrer fachlichen Qualifikation und der Position im Unternehmen ab. Auch die Größe des Unternehmens ist ausschlaggebend: Je mehr Mitarbeiter es hat, desto mehr können Wissenschaftler in der Regel verdienen. Weitere Faktoren sind der Standort und die Branche. Am höchsten fallen die Gehälter in der Pharmabranche aus.